Übers Impfen und Nichtimpfen

Impfen oder nicht Impfen?

Anfang des Jahres dachte ich, dass das mit dem Impfen noch ein bisschen länger dauern würde. Man müsse ja erst einmal die ganzen Risikogruppen impfen. Dann kam der Sommer: Plötzlich waren alle Leute, die ich kannte bereits geimpft und Überraschung, sie lebten noch. Das klingt jetzt streberhaft, aber meine einzige Sorge war, wie lange mich die Impfung umhaut, also von der Arbeit abhält. Aber der Tag Ruhe danach hat mir sicherlich nicht nur wegen den leichten Nachwehen gutgetan.

Falsche Studien provozieren Ängste

Andere Leute machen es sich in ihrer Entscheidung etwas schwerer. Dabei spielen aber nicht nur Ängste eine Rolle. Es machen ähnliche Falschinformationen die Runde wie vor der Pandemie. Gerade, wenn es um die Liebsten geht, vor allem Kinder, kann überreagiert werden. Verständnis dafür ist da. Trotzdem kann die Wissenschaft hier beruhigen. Existierende Studien zu gravierenden Folgen sind meist schlecht. So wurden in einer Studie nur 12 Kinder getestet, in der es um die Folgen von Masernimpfungen ging. Auch, wenn man nicht viel von Statistik versteht, so wie ich, dann ist klar, dass das im Vergleich zu der Anzahl von Kindern, die jährlich geimpft werden, nichts ist.

Anders ist der Fall, dass kombinatorische Impfungen angeblich Autismus hervorrufen. Diese Studien waren manipuliert, damit ein Autismustest vermarktet werden kann. Trotzdem halten sich die angeblichen Befunde als Beweise in einschlägigen Milieus.

Interessant ist aber auch das Argument, dass Leute sich nicht impfen lassen, gerade weil die Impfungen so effektiv sind. Die meisten Krankheiten sind schlicht einfach nicht mehr öffentlich wahrnehmbar und so auch nicht ihre Gefährlichkeit. Hoffen wir, dass es uns mit Corona ähnlich ergeht.

Impfgegnerschaft als Ersatzreligion

Im Wesentlichen bleibt das Problem im Jahre 2021 mit den Impfgegnern das gleiche wie davor. Durch die sozialen Medien können immer mehr Falschinformationen verbreitet werden. Wenn das undifferenziert betrachtet wird, was mit politischem Kalkül gepostet wird, dann verstärkt das die Ängste. Zum einen sind solche Weltbilder naive Anker in einer unkontrollierbaren und komplexen Welt. Leider führt das nicht nur zu Distanz zwischen Mitmenschen, sondern auch zu Gewalt, wie vor einem Monat in Berlin. Das liegt wohl auch an der quasireligiösen Erfahrung, durch die sich die Impfgegnerschaft zusätzlich noch auflädt.

Ein richtiger Umgang mit Quellen kann schwierig sein, wenn man aufgrund des Berufes oder der Ausbildung nicht darin geschult ist. Man könnte fast meinen, dass Akedemiker:innen darin besser sein sollten, sind sie aber nicht. Es ist genau andersherum. Je höher der Bildungsgrad ist, umso überzeugter sind die Impfgegner:innen darin, sich richtig informiert zu haben. Ähnliches zeigen auch Untersuchungen zu den Querdenker:innen.

Mittlerweile gibt es aber zum Glück auch viele Portale, die auf Falschinformationen aufmerksam machen. Wer also noch nicht gänzlich in ein solches Weltbild abgetaucht ist, kann mit ein paar anderen Informationen umgestimmt werden. Portale wie „FactsforFriends“ oder „Der goldene Aluhut“ helfen dabei. Seid dabei aber immer respekt- und verständnisvoll.

Was Impfen bewirkt

Das große Ziel von Impfungen ist Herdenimmunität, denn dann ist die Krankheit gesellschaftlich besiegt. Wenn 95% aller Personen geimpft sind, gilt die Krankheit als praktisch beseitigt. Je mehr Personen sich impfen lassen, um so effektiver wird der Impfschutz. Dabei geht es natürlich neben dem eigenen Schutz vor allem um den Schutz von denjenigen, die sich nicht impfen lassen können, zum Beispiel Menschen mit Autoimmunerkrankungen oder mit Allergien gegen die Impfstoffe. Die Nebenwirkungen sind im Vergleich zur Erkrankung und der Gefahr von langanhaltenden Symptomen nach der Genesung nichts.

Impfen ermöglicht ein freieres Leben für alle

Ist es wirklich ein Grund, sich nicht impfen zu lassen, weil man mit einer verschwindend geringen Wahrscheinlichkeit unangenehme Nebenwirkungen bekommen könnte? Mit der Argumentation müssten dann aber alle, die sich nicht impfen lassen wollen, aufhören am Straßenverkehr teilzunehmen, Fleisch zu essen, Alkohol zu trinken, zu rauchen, usw. Auch Argumente, die auf die individuellen Rechte abzielen, können nicht bestehen bleiben. Die Rechte kommen nicht aus dem Nichts und beinhalten auch immer Pflichten. Der Nährboden für diese Wechselbeziehung der Individuen, was zuerst sehr abstrakt wirkt, merken wir doch jeden Tag. Denn wir leben in einem, im Vergleich zum Rest der Welt, friedlichen und sicheren Umfeld. Das nicht nur, weil vor ein paar Jahrzehnten ein paar sinnvolle Gesetze eingerichtet wurden, sondern auch, weil wir im Alltag aufeinander achtgeben, damit jeder nach seinen Möglichkeiten teilhaben kann. Und was ist der Impfschutz denn anderes als das?

Volksabstimmung = eindeutiger Volkswille? Direkte Demokratie 3

Reichstag

Eines der Hauptargumente für eine Wende zur direkten Demokratie ist, dass dadurch der Volkswille besser ausgedrückt wird. Jede wahlberechtigte Person könnte so ganz genau dafür ihre Stimme abgeben, was ihr als unterstützungswert gilt. Anstatt darauf zu hoffen, dass die Stellvertreter:innen richtige Entscheidung treffen, trifft man sie selbst.

„Wählen ist wie Einkaufen.“

Das Gremium der Stellvertreter:innen ist das Parlament. Dort kommen sie ihrer Pflicht nach: den Wähler:innenwillen ausdrücken. Dafür müssen sie mit bestimmten Positionen werben, so wie Marken für ihre Produkte werben. Heutzutage geht es beim Einkaufen, wie auch bei der Politik, um Emotionen.

Eine direkte Demokratie könnte Abhilfe schaffen. Nicht mehr muss das bessere Wahlkampfteam gewinnen, noch muss man sich Sorgen machen, dass die beworbenen Inhalte keine Umsetzung finden.

Im letzten Monat habe ich Argumente für und gegen die politische Aktivierung der Bürger:innen gegeben, die aus einer Wende zur direkten Demokratie folgt. Heute soll es darum gehen, ob die direkte Demokratie den Volkswillen wirklich besser repräsentieren kann.  

„Der Volkswille wird direkt erhoben.“

Ein ganz klares Argument dafür ist, dass man Entscheidungen selbst treffen kann. Der Volkswille wird direkt erhoben. Es gibt keine Vermittlungsposition. Das fördert würde die Transparenz fördern, da nicht irgendjemand Gesetze nur nach seinen Interessen im Hinterzimmer aushandelt. Rein ideologische Entscheidungen und der Einfluss von Drittinteressen hätten es schwerer. Die Informationen zu Abstimmungen sollten ein unabhängiges Gremium bestimmen und einfach und offen abrufbar sein. Eine solche Regelung unterstützt nicht nur die Transparenz, sondern auch die Akzeptanz politischer Entscheidungen. Hierbei darf man nur nicht die Fallen der Schweiz mitnehmen.

„Negativ für die direkte, negativ für die repräsentative Demokratie?“

Es bleiben Probleme. Leute könnten das Informationsangebot nicht annehmen oder Dritte könnten weiterhin mit hohem finanziellen Aufwand Einfluss gewinnen. Und all das könnte noch weit negativere Folgen haben: Durch schnelle Abstimmungen zu antidemokratischen Gesetzen könnten Grundrechte, Bevölkerungsgruppen und damit die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Gefahr gebracht werden.

Wieso das eine Gefahr ausschließlich für die direkte Demokratie sei, bleibt ungewiss. Bereits jetzt könnten über legale Wege Parteien an die Macht kommen, von denen eine ähnliche Gefahr ausgeht. Hier kommt es letztlich darauf an, wie wehrfähig die Verfassung und die Zivilbevölkerung ist, wenn Mitbürger:innen Schaden droht.

„Was die direkte Demokratie bringt, zeigt nur ein Experiment.“

Es ist eindeutig: Der Volkswille wird genauer repräsentiert. In wie weit das aber eine bessere Politik bedeutet, lässt sich in der Theorie nicht sagen. Alle Gegenargumente treffen auch auf die repräsentative Demokratie zu. Letztlich muss ein Experiment zeigen, ob die direkte Demokratie oder eine starke Hybridform aus direkter und repräsentativer Demokratie besser ist.

Ein Modell der Zukunft? Direkte Demokratie 1

Wählen an der Urne

Von der Basis in die Gesetzgebung

Die Demokratie in Deutschland kennt eine Bürger:innenpflicht: Wählen. Wählen ist wie ein Gang in den Supermarkt. Rein theoretisch kauft man sich, was man will. Praktisch kann Werbung ausschlaggebender sein, ganz so wie im Supermarkt. Die Macht der Bürger:innen liegt also in der Bestätigung oder dem Wechsel der obersten Verwalter:innen im Lande. Der Spielraum als Nichtpolitiker:in ist sehr gering. Wenn einem das Angebot nicht schmeckt, gibt es keine Alternative.
Eine andere Gruppe von Demokratieformen ist offener. Häufig geht sie Hand in Hand mit der repräsentativen (oder auch indirekten) Demokratie: die direkte Demokratie.

Sie umschließt all diejenigen demokratischen Praktiken, bei denen nicht das Parlament, sondern die Bürger:innen selber über eine Regelung entscheiden. Mal passiert das von oben, von der Regierung oder auch von unten. Dafür braucht es meist eine Bürger:inneninitative. Solche Abstimmungen kennen wir auf der Länderebene. Bekannt ist der Fall in Bayern über das Nichtraucherschutzgesetz. In der deutschen Öffentlichkeit gilt die Schweiz als Musterland für direkte Demokratie. Wir schauen jetzt genauer hin.

Direkte Demokratie von Anfang an

Im politischen System der Schweiz vereinen sich parlamentarische und direktdemokratische Mechanismen. Das liegt an der Geschichte des Landes. Die Bauern organisierten sich schon früh in Genossenschaften (die Älteste gibt es seit 900 Jahren!). Das Wahlprinzip bei Entscheidungen ist traditionell eine Person eine Stimme (bzw. lange Zeit ein Mann, eine Stimme). Als sich dann die Kantone als Bünde der Genossenschaften herausbildeten, wollte man das Erfolgsrezept des Zusammenlebens nicht missen. Dass es die direkte Demokratie auf der Bundesebene gibt, erscheint notwendig.

Es gibt nur ein Problem. Die Wahlbeteiligung der Schweiz sinkt seit Jahrzehnten, sowohl bei den Volksabstimmungen, wie auch bei den Wahlen. Angegebene Gründe sind hier wenig Vertrauen ins System, Faulheit, Unwissenheit und zu wenig Macht in den Bürger:innenhänden.

Direkte Demokratie ist kein Allheilmittel

Die Hoffnungen deutscher Vertreter:innen von einer stärker basisdemokratischen Ordnung sind hier nicht gespiegelt. Anstatt einer engagierten Gesamtgesellschaft zeigt sich ein Bild von erstarkender Politikverdrossenheit. Dies liege auch daran, dass aufgrund des besonderen Systems die regierenden Parteien bereits vor der Wahl feststehen.

Eine direkte Demokratie kann also an den gleichen Problemen kränkeln wie andere Formen der Demokratie. Damit Menschen motiviert sind zu partizipieren, braucht es einige universale Voraussetzungen. Die Bürger:innen müssen ihre eigene Wichtigkeit fürs System spüren. Sie müssen den Unterschied machen können, wie ein Land geführt wird. Gleichzeitig braucht es genug Bildungsvoraussetzungen und eine Struktur, die die Partizipation so einfach wie möglich macht. Es wird immer Verdrossene geben, aber auch um deren Motivation sollte man kämpfen. Schließlich ist genau das der Vorteil einer Demokratie auf dem Papier. Anstatt extern gelenkt, bestimmen die Bürger:innen nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das Zusammenleben.

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